Ein Weinsnob kann einem leidtun. Mit seiner verachtenden Arroganz und seinem einsamen Machthunger ist er gefangen in seiner gruseligen Scheingestalt. Schwarz und Weiß. Arm und Reich. Klug und Dumm. Er ist ein herrschsüchtiger und weltfremder Simulant – stets geplagt von Hass und Neid.
Weinsnobs sind wie unerzogene Chihuahuas. Sie bellen in schrillen Tönen, springen jeden unaufgefordert an und betteln nach Aufmerksamkeit. Nur selten lassen sie von ihrem Opfer ab.
Weinsnobs sind eine homogene Gruppe in der Weinszene
Einem Weinsnob geht es nicht darum, Wein aus tiefstem Herzen zu lieben. Er ist auch kein Entdecker. Wein ist nur sein Statussymbol. Sein perfekt temperierter Weinkeller ist definiert von verstaubten Zierflaschen mit Parkerpunkten (95+), berühmten Weingütern und Klassifikationen. Geld spielt für ihn keine Rolle (selbst wenn er keins hat). Viel lieber prahlt er über seine Blockbuster, wobei ihm immer der Preis rausrutscht. Das ist ihm sehr wichtig. Unbekanntes lehnt er ab – solche Weine sind seines Gaumens nicht würdig. Dadurch begeht er (selbstredend) keinen Fehlkauf; aber trinkt bis heute kräftigen Rotwein zu jedem Käse.
Niemals verlässt der Weinsnob seinen Kokon aufgeblähter Blenderei.
Die Weinindustrie ist sein Diktator
Ein Weinsnob ist überzeugt, der Herrscher des Weins zu sein. Aber das ist weit gefehlt: Die Weinindustrie herrscht über ihn. Sie diktiert dem armen Pinkel punktgenau, was er zu konsumieren hat. Macht ein Wein einmal Positivschlagzeilen und schafft es das Weingut, eine Lage oder was auch immer, über die virale Schwelle, ist der Weinsnob bereit, jeden Preis zu berappen. Ihm ist es egal, ob der Preis fair ist, da nur der Name zählt. Die Eckdaten seiner Schätze lernt er rasch auswendig und referiert vor seinen Opfern, als sei er der altkluge fünfjährige Neffe des alten Kellermeisters.
Kurzum: Je angesagter ein Wein, desto begieriger eilt er ihm hinterher, um sich zu profilieren. Ein Hoch auf gutes Marketing!
Jeder Weinsnob durchlebt eine retromanische Episode
In der nostalgischen Phase plappert der Weinsnob uferlose Monologe über seine Verflossenen. Ob er sie selbst getrunken hat, ist unwichtig. Internet sei Dank. Lieber versteckt er sich hinter seinem peinlichen Fachgefasel, das seinem Gegenüber die Schamröte ins Gesicht treibt. Diese fragilen Blubberblasen erinnern mehr an die Schmuddelheftchen von der Tankstelle als an jemanden, der Plan hat von dem, was er erzählt. In der retromanischen Episode spielen ästhetische Aspekte eine bedeutende Rolle. Besser gesagt: Eine Rolle rückwärts. Dem Weinsnob geht es um Ideologie (die längst ihren Zenit überschritten hat). Schließlich war, wie wir alle wissen, früher alles besser. So richtig peinlich wird es, wenn er ungehalten über die Etiketten und (neuen) Verschlüsse der jungen Winzer hetzt. Stets herablassend, anmaßend und absolutistisch benotend. Hach herrje, so kommet doch endlich in die Gegenwart hinein!
Mimimi … Kriegt da jemand feuchte Augen?
Weinsnobs hassen andere Weinsnobs. Kein Narzisst teilt gerne menschenvolle Hallen. Trotzdem gibt es eine Chance, sich gemeinsam zu brüsten. Da alle Weinsnobs den gleichen kostbaren Klumpatsch besitzen, spielen sie sich einfach die Karten zu. Während Weinsnob Nummer eins über DAS renommierte Château aus dem Margaux schwärmt, springt Weinsnob Nummer zwei auf die Bummelbahn auf und plärrt „HISTORISCH – wo wäre die Weinwelt ohne 1855“.
Am liebsten hofiert er um Weinfans. Hier blüht er auf und denkt, jetzt schinde ich so richtig Eindruck. Der Weinfan ist oft verschreckt und denkt, niemals schaffe ich den Aufnahmetest in diese on vogue Weinclique.
Dem Weinsnob seine allerhöchste Priorität ist, seine Ahnungslosigkeit zu kaschieren. Deswegen fürchtet er den Weinfreak. Zu seinem Glück bleiben Weinfreaks oft unter sich – was sie übrigens nicht böse meinen, das ergibt sich so. Treffen nun alle drei Spezies (Weinfan, Weinfreak und Weinsnob) aufeinander, wird es brenzlig für ihn. Plötzlich ist da jemand, der ihm im Nullkommanix Paroli bieten könnte. Schlimmer noch: Ihm die Show stiehlt – mit spannendem Wissen. Aber statt aus der Gefahrenzone zu flüchten, redet er über den Weinfreak drüber. Ein Weinsnob ist laut, unbelehrbar, und selbstverliebt.
Weinsnobs sind monogam. Weinfreaks sind polygam
Während der Weinsnob den Punkten treu bleibt wie das Amen der Kirche, ist ein Weinfreak ein Polygame vor dem Herrn. Er ist in viele Weine verliebt. Er ist wissensdurstig und bürstet gerne gegen den braven Geschmack. Für Weinfreaks ist Wein kein Wettkampf, sondern eine Symbiose aus Natur und Mensch. Er interessiert sich für Hummeln und Klee im Weinberg und wie der Winzer dem Wein seine eigene Note gibt.
Kurzum, ein Weinfreak ist alles, was ein Weinsnob nicht ist. Eben jemand, der auf eigene Faust ausprobiert (auch unter 10 Euro), sogar Wein mit Schraubverschluss toleriert und auch mal aus einem Tumbler trinkt.
Bist du ein Weinsnob?
Finde es mit fünf simplen Fragen heraus.
33 Weinsnob-Symptome mit denen du dich blamierst
- Du nimmst nur den besten Wein zum Kochen.
- Du artikulierst in kitschiger Weinsprache.
- Du suchst ungefragt für den ganzen Tisch Wein aus (sogar für die Biertrinker).
- Du kochst vor Wut, wenn der Sommelier sich für die Wünsche Anderer interessiert.
- Du kochst vor Wut, wenn der Sommelier nicht deiner Meinung ist.
- Du bist der Erste, der den Wein probiert.
- Du hast noch nie Wein aus einem BIB getrunken.
- Du hast noch nie Sangria probiert.
- Du hattest schon einmal eine Sehnenscheidenentzündung vom vielen „Weinwirbeln“.
- Du traust dich nicht an einen Wein unter 20 Euro.
- Du traust dich nicht an einen Wein unter 95 Parkerpunkten.
- Du traust dich nicht an einen Wein ohne Naturkorken.
- Du hast immer ein klassisches, zweistufiges Sommeliermesser in der Tasche.
- Du trägst überall dein eigenes Weinglas mit dir rum.
- Du hast keine Ahnung von Weinbau, tust aber so.
- Du verabscheust Weinschorle.
- Du benutzt einen Champagnersäbel um Schaumweine zu öffnen.
- Du redest über Wein und alle gähnen.
- Du nimmst Wein mit in den Urlaub – auch in Weinregionen.
- Du dekantierst jeden Wein.
- Du tötest andere mit deinen Blicken, wenn sie das Glas falsch halten.
- Du kennst jeden guten Jahrgang, kannst aber nicht begründen, warum er gut war.
- Du liest vor, was auf der Etikette steht.
- Du magst niemanden, der sich mit Wein auskennt.
- Du prahlst, was du schon alles degustiert hast.
- Du interessierst dich nicht dafür, was andere über den Wein denken.
- Du stellst nie Fragen über Wein, da du es so und so besser weißt.
- Du bezeichnet dich als Wein-Connaisseur. Weißt aber nicht, wie man das Wort schreibt.
- Du kannst mit dem Jahr 1855 mehr anfangen als mit dem Jahr 1989.
- Du beweist mit selbst mitgebrachtem Wein, dass du die Region rausschmecken kannst.
- Du weißt, wie Wein schmeckt, bevor du ihn probiert hast.
- Du kennst alle Kritiken von renommierten Weinpäpsten.
- Du bezeichnest dich als Weinpapst.
Ich war einmal ein Weinsnob
Vor sechs oder sieben Jahren, als ich anfing als Sommelière zu arbeiten, war ich ein Fachjargon-Weinsnob. Vermutlich versteckte ich mich hinter diesen sommelierischen Worthülsen, um zu imponieren. Ich weiß es nicht. Obwohl mir die Phase peinlich ist, lache ich heute darüber. Ich denke, ein guter Sommelier, Weinfreak oder die, die es gerne werden wollen, sollten ihren Mitmenschen auf Augenhöhe begegnen. Das fängt beim Winzer an und hört beim Weinfreund auf.